Holunder volksheilkundlich und kulinarisch – mit Hollerkoch-Rezept

von | 1. Februar 2023

Ich weiß nicht, wie es euch geht – aber der heurige Sommer hätte für meinen Geschmack fast etwas wärmer & beständiger sein können. Zwar haben wir die Heuernte zu Hause als auch auf unserer Alm & sowie den Steilhang, trotz riesengroßer Verspätung, bei gutem und heißem Wetter heimbringen können, aber leider blieb für mich nicht immer genug Zeit übrig, um im Garten den für meine Ansprüche idealen Erntezeitpunkt für die Teeproduktion zu erhaschen. Da waren mir dann doch ein paar Stunden Auszeit mit der Familie auf der Alm oder in der Therme wichtiger – Erholung & Pausen stehen nämlich auch auf meiner Prioritätenliste.

Bei meinen Kräuterwanderungen kann ich meine Teilnehmerinnen bestimmt immer bis zu einem gewissen Grad mit meinem fachlichen Wissen und mit geschulter Allround-Kompetenz zufriedenstellen – da gibt es aber etwas, was mir viel wichtiger ist: wenn ich den einen Punkt erwische, wo sich meine Kräuter-Interessenten/innen erinnern: „Ja, genauso hat meine Oma den Holunderblüten-Tee auch eingesetzt…“ Das sind immer jene Momente, wo ein stilles Lächeln über die Lippen huscht und alle chemischen oder lateinischen Details einen Schritt in den Hintergrund treten & der Salutogenese den Vortritt lassen. Gaube, Begeisterung und Genuss sind die drei Eckpfeiler der Salutogenese – worauf müssen mir Acht geben, um im Gleichgewicht und somit gesund zu bleiben?

 

 

 

 

Mit Zeit, Liebe und Zuwendung entstehen kleine Kostbarkeiten

Weise Frauen, wie meine Oma eine war, waren sich immer bewusst, dass mit einfachen Mitteln, Zuwendung an Zeit sowie mit liebevoller Zubereitung sehr kostbare Dinge entstehen können. Ein Mus aus reifen Holunderbeeren, auch „Hollerkoch“ oder „Hollermandl“ genannt, ist eine dieser unbezahlbaren Kostbarkeiten. Wenn im August die dunkelroten Beeren sich schön langsam ins Schwarz verfärben, ist die perfekte Zeit für die Ernte. Dann gilt es schnell zu sein, denn auch die Vögel finden durchaus gefallen an der wertvollen Frucht.

 

 

 

Holunder wächst…

bei vielen landwirtschaftlichen Gebäuden, in Au-Landschaften oder Schrebergärten noch heute vollkommen unkompliziert und siedelt sich von selbst gerne entlang von Gemäuern an, was die Ernte erleichtert. Können keine Leitern angelehnt werden, leistet mir auch eine Frontladerschaufel gute Dienste, mit der mich mein Mann in luftige Höhen manövriert. So ergattere ich auch jene Dolden, welche ansonsten nur den Vögeln vorenthalten sind.

Ganz unseren gefiederten Freunden gleich sollten wir es allerdings nicht tun: Rohe Holunderbeeren sind für den Menschen ungenießbar auf Grund des enthaltenen „Sambunigrins“ – ein Inhaltsstoff, welcher leicht giftig ist und zu Magenschmerzen führen kann.

Traditionell bieten sich darum verschiedene Formen der Verarbeitung an.

 

Meine Favoriten sind:

• Hollerröster mit Früchten der Saison,
• Sirup aus den reifen Beeren,
• sowie Likör aus den Beeren

Eine weitere Möglichkeit wäre, die vollreifen Beeren im Backrohr bei 100° C zu trocknen und in der kalten Jahreszeit für Tee oder als Abkochung bei rheumatischen Beschwerden einzusetzen. Womit ich bei meinen Kindern sehr gute Erfahrungen gemacht habe: in eine Tasse Holunderblüten-Tee einen Schuss Holunderbeeren-Sirup geben und diesen ganz unkompliziert bei leicht fiebrigen, grippalen Infekten anbieten.
Auch ist es möglich, 2 EL Holunderbeeren-Likör mit einer Tasse Wasser aufzukochen, bis aller Alkohol verdampft ist und im Notfall (wenn der Sirup schon aufgebraucht ist) auf diese Variante zurückzugreifen.
Welche Eigenschaften machen den Holunder so wertvoll, dass selbst unsere Ahnen schon immer zu sagen pflegten: „Vorm Holler ziag dein Huat…“?

 

 

 

 

   

 

 

Holunder zählt zur Familie der Moschuskrautgewächse (Adoxaceae)

…und wartet mit der Besonderheit auf, dass alle Pflanzenteile
• Büten – Flores Sambuci,
• Beeren – Fructus Sambuci,
• Rinde – Cortex Sambuci (die innere, grüne Rinde der zweijährigen Äste, getrocknet),
• Blatt – Folium Sambuci,
• sowie das weiße Mark im inneren der zweijährigen Äste für Zwecke des Räucherns
verwendet werden können.

Holunder schützt den Menschen als Schwellenbaum auf allen Wegen und steht symbolisch sowohl
für den Lebensbeginn als auch für die Zeit des Werdens, Reifens und Vergehens bis zum
Lebensende und den Übertritt der Seelen in die Anderswelt. Niemals sollten wir einen
Holunderbaum verletzen oder gar fällen, um an sein Holz zu kommen. Vielmehr dürfen wir nur die
alten Äste verwenden, welche von selbst abbrechen, sagt die Legende.

 

 

Auf welche Organe wirken die einzelnen Bestandteile des Holunders im Besonderen und wann setzen wir ihn in der Volksheilkunde ein?

Nicht selten zeigt uns der Holunderstrauch eine Besonderheit: Alle drei Fruchtstadien, duftende Blüten, grüne Beeren sowie die reife Frucht, finden sich manchmal sogar im Herbst noch auf ein und derselben Staude.

Die Blüten des Holunders unterstützen uns bereits im Frühjahr, als Sirup oder einfach nur als „Infused Water“ (eine Blütendolde in einem Krug Wasser für eine halbe Stunde ausziehen lassen), indem die überschüssige Hitze der kalten Jahreszeit über die Harnwege ausgeleitet wird und uns so vor einem hitzigen Kopf im Sommer bewahrt. Außerdem leisten sie gute Dienste
• wenn eine schweißtreibende Wirkung gewünscht ist,
• vorbeugend bei Erkältungsanfälligkeit,
• zur Reinigung des Lymphsystems bei Hauterkrankungen jeglicher Art,
• bei Verschleimungen der Atemwege sowie in der Heuschnupfenzeit,
• bei Rheuma und Gicht,
• in den Wechseljahren zur Erleichterung bei unangenehmen und
• zeitweise sehr lästigen Hitzewallungen (östrogenartige Wirkung).
• Während wir den Blütentee bei beginnenden Infekten zur Schweißbildung und zum Lösen von Schleim einsetzen, unterstützen uns die tief-violetten, reifen Beeren immer dann, wenn wir das Fieber senken möchten, um den Organismus bei seiner wichtigen Arbeit zu unterstützen.

 

Hollerkoch, Likör oder Sirup aus den vollreifen Beeren…

ist immer dann ein Segen, wenn
• unsere Lungen Unterstützung benötigen,
• wir das Immunsystem stärken möchten,
• zum Einsatz bei Nervenschmerzen,
• als Entzündungshemmung bei Gelenkserkrankungen,
• zur allgemeinen Stärkung der Nieren und der Blase,
• bei Eisenmangelzuständen und Anämie zur Kräftigung des Blutes,
• außerdem zur Unterstützung der Fruchtbarkeit.
• Nebenbei kann ein Mus aus den reifen Beeren
• mit weißer Tonerde (Bolus alba) zu einem Brei verrührt werden, welcher äußerlich bei
Geschwüren oder Mastitis (Brustentzündung beim Stillen) als kühlende Auflage rasche
Linderung verspricht.

 

 

 

Die grünen, unreifen Beeren können kulinarisch als…

Kapern-Ersatz zu sogenanntem „Hexenpfeffer“ verarbeitet werden.

 

Rezept für mein Hollerkoch und unsere „Home made“ Waffel

Beim schwarzen Holunder empfiehlt es sich manchmal, die reifen Beeren auf Etappen zu ernten. Bei trockenem Wetter bekommen wir die beste Qualität – sauber abgerebelt halten sich die Beeren für gut zwei Tage, wenn diese durchgehend gekühlt und steril gelagert werden.

 

 

 

 

Für mein Rezept benötigst du:

1500 bzw. gut 1 kg sauber verlesene, vollreife Holunderbeeren,
• In einem weiten, hohen Kochtopf lassen wir bei mittlerer Hitze
• 150 g braunen Zucker karamellisieren,
• anschließend mit 20 ml Rum ablöschen,
• 1 Prise Salz, 700 ml Wasser sowie die Holunderbeeren zufügen und nach dem
Aufkochen für 25 min. ohne Deckel bei mittlerer Hitze kochen.
In manchen Rezepten wird sogar empfohlen, das Fenster zu öffnen, damit der Hollergeist (das
Blausäureglycosid Samburigin) ausziehen kann.

Als Obst der Saison empfehlen sich reife Zwetschken oder Pflaumen, klein geschnittene Äpfel oder Birnen – je reifer, umso mehr Süße bringen sie ins Gericht.

 

In der Zwischenzeit…

• 600 g reife süße Zwetschken entkernen, vierteln und nach Belieben klein schneiden – zu den
Beeren geben und zusammen mit
• 1 Zimtstange (könnte auch schon beim Karamellisieren des Zuckers mit dazu gegeben
werden),
• etwas abgeriebener Orangenschale, einem Hauch Nelkenpulver
• sowie je 1 Messerspitze echter Vanille und Kardamonpulver für weitere 25 min. einkochen.
• Zu guter Letzt werden 40 g Edelkastanien-Mehl nach Hildegard von Bingen mit 80 ml bestem

Portwein in einem Schälchen glatt gerührt – die Zimtstange herausholenund das Hollerkoch sämig eindicken. Alternativ kann man auch zu Puddingpulver greifen – aber bitte nicht mit Kuhmilch anrühren, das würde der Haltbarkeit – in Bezug auf´s Einrexen – keinen guten Dienst erweisen.

Serviert wird das Hollerkoch traditionell mit einem kleinen Stück kalter Butter oder, mit einem Schuss süßer Sahne und Zucker nach
Belieben. Wer auf raffinierten Zucker verzichten möchte, kann schon während des Kochens einige Datteln klein schneiden, mitkochen
und dem Gericht damit mehr Süße verleihen.

Hollerkoch kann in kleinen Gläschen abgefüllt wunderbar eingerext werden und ist für unsere Kinder eine gesunde und abwechslungsreiche Alternative zur Wurstsemmel in der Jausenbox. Ganz nebenbei stärken wir so außerdem das Immunsystem in der kühleren Jahreszeit, wenn sich wieder der eine oder andere Erreger breit macht und auch die Blutbildung kommt gewiss nicht zu kurz.
Gesund muss nicht immer langweilig sein – wie wäre es zum Beispiel mit selbstgemachten Waffeln?
Sowohl zum Frühstück als Dessert oder für unterwegs ein Gedicht. In der Küchenmaschine…

 

• 250 g zimmerwarme Butter mit 150 g
Staubzucker schaumig rühren,
• weiters 1 Messerspitze echte Bourbon-Vanille
und 1 Prise Salz,
• außerdem Kardamom, Zimt, echtes
Kakaopulver
• und etwas fein abgeriebene Bio-Orangenschale.
• Nach und nach 8 Eier einrühren.
In einer weiten Schüssel mische ich:
• 200 g glattes Mehl und 150 g fein geriebene Mandeln, welche zu guter Letzt mit dem
Schneebesen locker untergehoben werden.
• Das Waffeleisen vorheizen, mit neutralem Speiseöl leicht fetten und die Waffeln goldgelb
ausbacken. Die Masse ergibt ca. 12 Stück Waffeln.

 

Frei nach dem Zitat von Ernst Ferstl „Zeit, die wir uns nehmen ist Zeit, die uns etwas gibt…“ wünsche ich euch viel Freude mit den Rezepten und viele wertvolle Stunden im Kreis eurer Familien. Es sind oftmals Momente in der Natur und die kleinen, besonderen Augenblicke, die unser Leben kostbar machen. Gutes Gelingen und Mahlzeit – herzlichst, eure Barbara

 

 

Barbara Russegger

Barbara Russegger

Barbara ist Kräuterpädagogin, TEH-Praktikerin, Ernährungsberaterin nach Traditioneller Chinesischer Medizin, Familientrauerbegleiterin, Kinder.Tuina - & TUINA.Praktikerin i.A. www.barbara-russegger.at